Samstag, 25. Februar 2012

Die Welt scheint geschrumpft zu sein – oder, wenn man etwas über das eigene Konsumverhalten erfährt

Vor einigen, mittlerweile, Monaten habe ich im Berliner Informationsradio einen Report über Onlinefirmen gehört, welche ihre Produkte hauptsächlich übers Internet verkaufen, aber doch den Weg in die reale Welt gefunden haben. Es handelte sich um eine Schneiderei, die Hemden nach Maß anfertigt. Der Kunde kann sich alles aussuchen, vom Stoff, über die Art des Kragens bis hin zur Anordnung der Manschettenknöpfe. Geile Sache, dachte ich, da es immer wieder vorkommt, dass ich in den Modehäusern keine, zumeist blauen, Hemden mehr finde, die mir gefallen und die es auch noch in meiner Größe gibt. Von dem Modeirrtum der Saison, Pullover mit V-Ausschnitten, rede ich an dieser Stelle nicht, aber warum sollten ausgerechnet Männer ein Dekolleté tragen, wenn sie nicht in Halsnähe einen Port für schnelle Kontroll- und Erstversorgung besitzen? So habe ich mir zwei Hemden und eine Krawatte ausgesucht, individuell zurechtgefingert und in froher Erwartung die Bestellung abgeschickt. Vier bis sechs Wochen würde es dauern, bis ich mich neu Kleiden könnte, hieß es in der Bestellungsmail. In diesen Zeitraum fielen die Weihnachtsferien und der Jahreswechsel. Besinnlichkeit suchend saß man unter dem Baum, fraß sich einen dicken Bauch an und verspürte ein wenig Mitgefühl mit den Menschen in Thailand, denen die Wassermassen gerade die Möbel unter den Ärschen wegspülten. Nur gut, dass die dort nicht Weihnachten feiern, dachte ich, da wäre jetzt das ganze schöne Fest dahin mit 1,20m Dreckswasser in der Wohnstube. Nach ein oder zwei Wochen verschwanden die überschwemmten Städte und Dörfer wieder aus der Flimmerkiste und somit auch aus unseren Sinnen und die Zeit verging langsam aber unaufhaltsam. Von meinem Paket keine Spur. Ich argwöhnte schon Internetbetrügern aufgesessen zu sein, die sich mit meinen Kohlen ein schönes Leben machen, während ich hier in NRW sitze und auf neue Kleider warte. Nach ca. 10 Wochen kam dann eine Mail, dass meine Bestellung in Kürze eintreffen würde.
Gestern hatte ich dann endlich das Paket in den Händen – ein Knaller. Das Hemd passt wie angegossen und sieht echt gut aus. Dagegen entspricht die Krawatte nicht meinen Erwartungen. Im Netz sah sie gelb-blau gestreift aus, stellte sich allerdings als gold-blau gestreift heraus. Wenn ich das nächste Mal zu einer Pornoparty eingeladen bin, dann passt sie dort auf jeden Fall zum Dress Code. Muss ich mir nur noch die passende Sonnenbrille besorgen. Dem Paket lag eine Karte bei, erst dachte ich es handle sich um die Einladung zu besagter Party, aber es war ein Entschuldigungsschreiben. Aufgrund der Wassermassen in Thailand, wäre die Produktion bzw. die dortige Logistik ins Wasser gefallen, weshalb das mit dem Hemd etwas länger gedauert hätte. Jetzt kamen sie mir wieder in den Sinn, die Menschen, die bis zu den Brustwarzen im dunklen, aber wohl angenehm warmen, Wasser standen und ihre Habseligkeiten in großen Bündeln auf den Köpfen in trockene Gebiete bugsierten. Ob da wohl einer auch die Stoffballen, aus denen mein Hemd gemacht ist, in Sicherheit gebracht hat? Soll man jetzt ein schlechtes Gewissen haben, dass die Kleidung aus Thailand kommt oder soll man sich darüber freuen den Leuten dort eine Einkommensmöglichkeit zu bieten? Die Welt retten kann man auf diesem Wege jedenfalls nicht, aber wer will schon Hemden mit der blau-weiß-roten Schwinge tragen, nur weil sie in Deutschland produziert werden. Man ist schließlich kein Fußballzweitligist von vor 18 Jahren. Bei näherer Betrachtung hätte ich eher gedacht, dass das Hemd aus Deutschland und die Krawatte aus Thailand kommen würden. Wenn ihr sie einmal sehen wollt, dann veranstaltet doch eine Pornoparty.
Bastyan - 26. Feb, 15:33

Poste mal den Link der Hemdenbude. Du bist übrigens ein imperialistischer Ausbeuter...*:O)

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