Samstag, 18. Juni 2011

Ratschläge eines verschrobenen Mannes

Diese samstäglichen Schwungübungen erinnern mich an einen Rat eines meiner Professoren, der an dieser Stelle schon öfter aufgrund seiner legendären verschrobenen Ausdrucks- und Verhaltensweisen zitiert wurde.
Heute geht es um eine Sequenz, welche ich zu Beginn meines Studiums an der TU-Berlin erlebte. Die Neustudierenden saßen in einem kleinen Hörsaal und erhofften sich unbegrenzte Weisheit von dem Mann am Katheder. Dieser konnte die Jahre bis zu seiner Pensionierung mühelos an einer Hand abzählen und war durchaus recht altmodisch und seinen Ansichten und Forderungen. Eines Tages hielt er eine flammende Rede über die Erhaltung der eigenen Handschrift, welche durch das konsequente Getippe nahezu in Vergessenheit geraten würde. Wir sollten uns regelmäßig die Zeit nehmen und unseren samstäglichen Marktbesuch mit Kohlkauf handschriftlich auf vier Seiten festzuhalten. Dabei würden sowohl die Gedanken strukturiert als auch unsere Handschrift geschult. Bei ebendieser Tätigkeit ertappe ich mich gerade, allerdings nicht handschriftlich sondern durch dieses fanale Geklapper und ruckartige Senken der Finger auf Knöpfen aus Plastik. So wird nicht die charakteristische Eigenart der Schrift sondern der Sprache geschult.
Eine andere, ich möchte meinen sehr schöne, Anekdote diesen Herrn betreffend ist mir vor wenigen Tagen in den Sinn gekommen, als ich im Rahmen der Prüfungsvorbereitungen auf einen Sachtext zur Entwicklung der deutschen Sprache stieß. Alte Wörter würden aussterben und durch neue ersetzt werden und die Sprache befände sich in einem Fluss und stetigem Wandel. Unter anderem wäre das Wort Fräulein, für unverheiratete Frau, nahezu ausgestorben. Auf den Scheinen, die dieser Herr Professor am Ende eines Semesters auszugeben pflegte, musste man die Anrede handschriftlich ankreuzen und die Wahlmöglichkeiten bestanden zwischen Herr, Frau und Fräulein. Altmodisch möchte man denken, aber auch clever. Auf diese profane Weise erfuhr der gute Herr doch problemlos bei welchem Fräulein es sich gefahrlos lohnen könnte weitere Nachforschungen anzustellen.
Charaktere braucht das Land!

Samstagmorgen oder die lachende Dicke aus dem Allgäu

Gerade heute Früh merke ich, wie ich die Samstagmorgende zu schätzen gelernt habe. Das Wochenende ist noch frisch und nahezu unverbraucht. Die Schule lässt sich noch fast mühelos in eine Ecke des Gehirns verschieben, wo ständige Quängeln, Pochen und um Aufmerksamkeit Buhlen schwer fällt. Es steht also ein Tag der Entspannung bevor. Da müssen sich die Klausuren, Facharbeiten , Unterrichtsvorbereitungen, Korrekturen und das Abitur in all seinen Facetten für 24 Stunden gedulden. Leider ist nur ein Tag in der Woche Samstag.
Der Grund, aus dem hier in den letzten Wochen nicht gebloggt wurde, besteht darin, dass ich seit dem Ende der Osterferien extrem unter Spannung stehe. Abitur schriftlich und mündlich sind nur ein Grund, aus dem ich mich ab und an fast wieder an den Druck des Referendariats erinnern kann. Zusätzlich laufen parallel die Bewerbungen, werden erste „Kennenlerngespräche“ geführt und stehen diverse Kurzreisen an, bei denen man sich auch um Flugzeiten, Abfahrtszeiten, Trinkverhalten kümmern muss. Ein Umzug könnte im Sommer ebenfalls wieder anstehen, weshalb man noch nicht einmal wochenlange Urlaubsreisen in aller Herren Länder planen und erträumen kann.
In dieser Gefangenschaft im Alltagstrubel erscheinen Begebenheiten wie die heute Früh beim Fleischer wie kleine Oasen für Geist und Seele:
Aus dem Bett gequält und schnell zu Fleischer und Bäcker um Material fürs Frühstück zu besorgen. Drei Brötchen und der obligatorische Mettigel. Fürs Wochenende. Als das Läuten der Türglocke in der Metzgerei ertönt, stürmt die runde Ehefrau des Inhabers in den Verkaufsbereich und lacht ebenfalls wie immer. Unweigerlich stellt sich wieder die Frage ob es sich dabei um allgemeine Fröhlichkeit oder Debilität handelt. Egal, so lange sie mir meinen Igel verkauft, verpackt und richtig kassiert kann sie die restliche Woche so verrückt sein wie sie will. Auch Gespräche über die Abstammung von Fleischfachverkäuferin und Kundschaft (s.o.) werden diesen Tag vermieden.
Bei einem derartigen Gespräch in einer Kölner Vorortkneipe hätte ich vor einigen Tagen fast handfesten Ärger bekommen, da ich es in dieser Kölschkneipe wagte ein Pils zu bestellen, über das Fassungsvermögen der Gläser zu meckern und auch nicht den passenden Dialekt sprach. Allerdings konnte ich mit meiner Heimatstadt punkten und der Wirt, dem das Hemd bis unter die Brustwarzen offen stand, war versöhnt. Als Berliner darf man auch mal dicke Fresse haben, entnahm ich der plötzlichen Sympathiebekundung.
In der Fleischerei läutet im Hinterzimmer das Telefon, aber die Frau packt seelenruhig weiter mein Paket zusammen. „Soll doch mein Man gehen.“ Welcher alsbald hinter die Kasse gestampft kommt um mich zu bedienen, da seine Frau am Fernsprechgerät verlangt wird. „Wer ist denn dran?“ „Eine Frau Goebbels“, antwortet unterdessen der bereits etwas ergraute Ehemann. Reflexartig entfährt mir ein „Oha“, was allerdings im Raum zwischen Glasvitrine und an der Decke baumelnden Schinken, Würsten und Suppenknochen verhallt. In Gedanken denke ich, was die denn wollen könnte, vielleicht eine Wagenladung Fleischkonserven für einen möglichen Bunkeraufenthalt oder einfach einen besonderen Spießbraten für das Sommerfest auf Schloss Rheydt? Während ich unterdessen bezahle berichtigt das holde Eheweib den Gatten: „Du meinst Frau Göbels“, und nach einer kurzen Pause: „Die andere wollen wir hier auch nicht.“ Und wir fallen alle drei in ein befreiendes Lachen und mein Herz tut einen Sprung vor Freude, dass heute Samstagmorgen ist.

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