Dienstag, 13. Mai 2008

Historikernachwuchs

Die besten Glückwünsche gehen an Ulrike und Philip, die für Historikernachwuchs gesorgt haben und somit das Vorurteil der spätgebärenden akademiker widerlegt haben.

Bernhard Schlink: Das Wochenende

Nach seinem Erfolg von „Der Vorleser“, welcher derzeit durch Hollywood verfilmt wurde, Nazistoff zieht halt immer, befand sich der Verfasser in Zugzwang. Nach einigen Büchern, denen der große Erfolg verwehrt blieb, ist vor einigen Wochen nun „Das Wochenende“ erschienen.
Ein Terrorist aus den Zeiten des Deutschen Herbstes – ob der RAF angehörig oder nicht bleibt offen – zumindest wird er mit Baader und Meinhof auf eine Stufe gestellt, kommt nach über zwanzig Jahren durch eine Begnadigung aus dem Gefängnis frei. Seine Schwester will ihm den Wiedereinstieg in die Welt von außen erleichtern, indem sie ein Treffen mit den Freunden von damals arrangiert hat. Es treffen Menschen zusammen, die ihr Leben erfolgreich eingerichtet haben und alle gutbürgerliche Berufe bekleiden. Nur ein Jungrevolutionär versucht den Geist des Kampfes neu zu entfachen.
Der Sachverhalt erinnert an die Begnadigung der Brigitte Mohnhaupt und an das Grußschreiben des Christian Klar. Die sorgfältige Einarbeitung solcher realen Bezüge macht das Buch so glaubwürdig und so faszinierend. Die revolutionären Zellen von einst haben sich gewandelt und sind fast so bürgerlich geworden wie die eigenen Eltern nur, dass sie nicht mit deren Nazivergangenheit belastet sind. Der Mensch, der mehre Morde auf seinem Konto verbuchen kann, wird am Ende zum Mitleidsträger. Er hat den Großteil seines Lebens für seine Ideale im Gefängnis gesessen, um sie schließlich für ein paar wenige Jahre in Freiheit aufzugeben.
Fazit: Ein anderer Zugang zum Thema Deutscher Herbst nach den Ergüssen der beteiligten Journalisten, Terroristen- und Opferkindern, die mir das Thema schon ziemlich verleidet hatten. Das Wochenende ist so beeindruckend, weil seine Protagonisten so real erscheinen und die Einarbeitung von aktuellen Ereignissen das ganze noch überzeugender macht. Allerdings regt es nicht zum Nachdenken über die Ziele und Absichten von damals an, dieser Gedankenprozess wurde bei mir schon durch die gehäuften Informationen zum Thema im letzten Jahr hoffnungslos verschüttet.

John Banville: Die See

Eigentlich hatte ich den Wunsch mein eingerostetes Englisch aufzupolieren, und bei dieser Mission sollte mir ein tolles Buch des irischen Autoren helfen. Dass dieser Mann den Booker Prize bekommen hatte, verhieß literarische Klasse. Die Ernüchterung suchte mich allerdings bereits nach wenigen Seiten heim, als ich fast nichts verstanden hatte. Gut, mein Englisch war eingerostet, aber nicht in diesem Maße.
Es dauerte zwei Jahre, bis ich das Buch auf Deutsch in die Hände bekam und es offenbarte sich mir, warum ich es nicht verstanden hatte. Der Autor entpuppte sich als „wahrer Sprachartist“. Dieses Werk ist genau das Richtige für einen einsamen Urlaub oder für kalte Winterabende. Es plätschert so dahin, bis sich auf den letzten fünfzig Seiten alles zusammen fügt und so manche Überraschung, untergebracht in einem Nebensatz, auf einen wartet.

„Als wir träumten“ im Maxim Gorki Studio

Die Kritiken, welche nach der Premiere in der Berliner Tagespresse erschienen, sorgten für einen kalten Schauer des Entsetzens auf dem Rücken. So war vom Theater Marke Grips die Rede und von einer flachen Inszenierung, die der Vorlage nicht im Mindesten das Wasser reichen könnte. Allerdings wurden aus Anglizismen, für die bessere Verständlichkeit der älteren Leserschaft, Wörter wie „kopfschwingend“ abgeleitet, was nicht weniger für Schaudern sorgte. Unvermittelt denkt man da an das Rambazamba-Theater, in dem Menschen mit Behinderung – weiß ich wie der politisch korrekte Terminus lautet – mal so richtig die Sau rauslassen und das Publikum mit Mehl und Joghurt bewerfen können. Kein gutes Vorzeichen für einen lang ersehnten Besuch im Theater. Aber auch die TAZ konnte sich kaum mehr für die Inszenierung von Armin Petras begeistern. Wenn ich ehrlich bin, dann hätte ich meine Karte vor dem Theater dem Höchstbietenden verkauft, alleine aufgrund dieser propagandistischen Beeinflussung aus der Tagespresse. Aber es hat keiner was geboten und so standen wir voller Erwartung auf das Spektakel, das Schlimmste ahnend, (man ist ja vorgeprägt) von einem Fuß auf den anderen tretend, vor der Tür des Studios und ergatterten Plätze in der ersten Reihe. Etwas mulmig war einem dabei schon, denn es waren Übergriffe der Schauspieler auf die Zuschauer angekündigt worden. Aufgrund der Physis der Protagonistinnen war man am Ende fast ein wenig enttäuscht, dass derartige Beteiligung ausblieb.
Das Verblüffende war, dass die fünf Jungs aus dem Leipzig der Nachwendezeit von Darstellerinnen des Schauspiels Leipzig verkörpert wurden – die Frauenrollen wurden dagegen von einem ergrauten Mann verkörpert. Was auf den ersten Blick als nicht besonders originell anmutet, erwies sich als Gewinn. Peinlich wäre es gewesen, wenn fünf Männer, so Ende zwanzig Anfang dreißig, pubertierende Jungs gespielt hätten, die pöbelnd, saufend, randalierend und fantasierend über die Bühne marodiert wären. So etwas kann auch peinlich werden wenn Frauen sowohl Vergewaltiger als auch Opfer verkörpern – nicht wahr Fritzi. Diesen Abend war die Besetzung gut getroffen. Einzelne Szenen aus dem Roman, der bereits einen stringenten Handlungsstrang vermissen lässt, wurden textgetreu dargeboten. Natürlich bietet ein Buch mehr Möglichkeiten, wenn der Icherzähler sich durch verschiedene Erinnerungsebenen kämpft um an die Wahrheit zu gelangen. Die Stärke des Stücks bestand darin, dass solche Versuche gar nicht erst unternommen wurden. Lose zusammengestellt vollzog sich die Adoleszenz, gespickt mit Szenen aus der DDR-Zeit, bis hin zum langjährigen Einfahrens Ricos.
Die im Roman mitschwingende Verzweiflung über eine zusammenbrechende Gesellschaft, in der von den Pionieren kaum wahrnehmbare und verlachte Sicherheit herrschte, bis hin zur Anarchie der Nachwendejahre, die zum Zerfall der Clique und zum Tod Marks des Kleinen Walters führte, wurde auch auf der Bühne gut umgesetzt, obwohl natürlich Gestaltungsmöglichkeiten der inneren Gedankenfindung der Erzählperson nicht getreu umgesetzt werden konnten.
Es bestätigt sich einmal mehr die Überzeugung, dass man nicht alles glauben sollte, was in der Springerpresse geschrieben steht.

Abschließend gehe ich zum Selbstversuch über: Neben mir stehen zwei Flaschen Pils (0,5l) und ein gläserner Maßkrug. Nach Befüllung ist dieser nach Möglichkeit in einem Zug zu leeren, allerdings ist einmaliges Absetzen erlaubt – wie beim kleinen Walter. Jedoch vermute ich, dass der Szenenapplaus im Kreise meiner Familienangehörigen ausbleiben wird.

Zufallsbild

pic_160945_236431

Alle Links in Popups öffnen

alle Links auf der aktuellen Seite in einem neuen Fenster öffnen 

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Status

Online seit 7091 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Web Counter-Modul


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren