Frederik Taylor: Die Mauer
Vor mittlerweile mehreren Monaten hörte ich im berliner Inforadio ein Interview mit dem Autor des Buches und da mich die vertretenen Thesen und die Thematik nicht nur aus beruflichen Gründen interessierten erstand ich diesen Wälzer.
Es ist vielleicht etwas suspekt in einer Rezension über ein Buch zur Mauer über eine Fluchtmöglichkeit zu schreiben, aber diese bot mir das sehr gut lesbare und informative Werk tatsächlich. Wenn ich mit dem Schulkram im Kopf und fertig mit den Nerven abends in mein Bett stieg, lag da ein gewisser Ruhepol auf dem Nachtisch, der mich meist zu lange wach hielt.
Auf den ersten 120 Seiten stellt der Autor die Geschichte Berlins von den Anfängen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges dar und man fragt sich, wann geht es denn jetzt endlich los mit der Mauer. Da ich mich im Studium ausgiebig mit verschiedenen Aspekten der Berliner Stadtgeschichte beschäftigt habe, war das alles eher schnödes Beiwerk als spannende Grundinformation. Nach diesem, für mich zu langen Einstieg, zeichnete sich die Entstehung des Arbeiter- und Bauernstaates am östlichen Horizont ab. Die Genossen Ulbricht und Pieck erschienen aus den Moskauer Lehrjahren um den einzig wahren Sozialismus aus der Taufe zu heben – mit allen bekannten Nebenwirkungen, wie Diktatur, Freiheitsberaubung, Misswirtschaft und ideologischer Verblendung. Von der Entstehung des Mauergedankens, über den Bau bis hin zum langsamen Zerfall beschreibt Taylor anschaulich und akribisch recherchiert die Höhen und Tiefen des Lebens in der DDR. Besonders gefallen hat mir die These, dass Ulbricht daran Schuld sei, dass die BRD die Gastarbeiter nach Deutschland geholt habe. Durch den Bau der Mauer hätten die Westzonen ihren Arbeitskräftebedarf nicht mehr decken können und wäre somit gezwungen gewesen Arbeiter aus dem Ausland anzuwerben.
Wie gesagt, habe ich mich im Rahmen des Studiums schon ausführlich mit der Geschichte der DDR beschäftigt und somit wurden großteils bereits Gewusstes wiederentdeckt, aber für Menschen, die noch nicht so vorgeprägt sind, wird das Buch ein noch größerer Schatz sein.
Besonders interessant war das Nachwort, da dort die Reaktion der drei Westalliierten auf die sich abzeichnende Wiedervereinigung beschrieben wurde. Panik vor einem vereinten Deutschland und die Sorge vor einem „Vierten Reich“. Aus heutiger Sicht erscheint es eher lächerlich, aber die Franzosen hatten wahrscheinlich allen Grund zur Sorge, obwohl ich die Möglichkeit eines erneuten Krieges zwischen Deutschland und Frankreich am Anfang der neunziger Jahre rückblickend doch eher als sehr unwahrscheinlich erachte. Aber wie sagt man so schön – hinterher ist man immer schlauer.
Abschließend zitiere ich kurz aus dem Nachwort: „Doch die PDS war überwiegend eine Partei der älteren Leute. Rund 60 Prozent ihrer Wähler waren über 60 Jahre alt. Bei der Jugend der ehemaligen DDR- soweit sie blieb – führten Enttäuschung und die Folgen der jahrzehntelangen geistigen Isolation häufig zu einer Hinwendung nicht zur alten extremen Linken, sondern zur neuen extremen Rechten. Das galt insbesondere für kleinere Provinzzentren...“
Frederik Taylor: Die Mauer: 13. August 1961 bis 9. November 1989. Siedler 2009. 29,95€
Es ist vielleicht etwas suspekt in einer Rezension über ein Buch zur Mauer über eine Fluchtmöglichkeit zu schreiben, aber diese bot mir das sehr gut lesbare und informative Werk tatsächlich. Wenn ich mit dem Schulkram im Kopf und fertig mit den Nerven abends in mein Bett stieg, lag da ein gewisser Ruhepol auf dem Nachtisch, der mich meist zu lange wach hielt.
Auf den ersten 120 Seiten stellt der Autor die Geschichte Berlins von den Anfängen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges dar und man fragt sich, wann geht es denn jetzt endlich los mit der Mauer. Da ich mich im Studium ausgiebig mit verschiedenen Aspekten der Berliner Stadtgeschichte beschäftigt habe, war das alles eher schnödes Beiwerk als spannende Grundinformation. Nach diesem, für mich zu langen Einstieg, zeichnete sich die Entstehung des Arbeiter- und Bauernstaates am östlichen Horizont ab. Die Genossen Ulbricht und Pieck erschienen aus den Moskauer Lehrjahren um den einzig wahren Sozialismus aus der Taufe zu heben – mit allen bekannten Nebenwirkungen, wie Diktatur, Freiheitsberaubung, Misswirtschaft und ideologischer Verblendung. Von der Entstehung des Mauergedankens, über den Bau bis hin zum langsamen Zerfall beschreibt Taylor anschaulich und akribisch recherchiert die Höhen und Tiefen des Lebens in der DDR. Besonders gefallen hat mir die These, dass Ulbricht daran Schuld sei, dass die BRD die Gastarbeiter nach Deutschland geholt habe. Durch den Bau der Mauer hätten die Westzonen ihren Arbeitskräftebedarf nicht mehr decken können und wäre somit gezwungen gewesen Arbeiter aus dem Ausland anzuwerben.
Wie gesagt, habe ich mich im Rahmen des Studiums schon ausführlich mit der Geschichte der DDR beschäftigt und somit wurden großteils bereits Gewusstes wiederentdeckt, aber für Menschen, die noch nicht so vorgeprägt sind, wird das Buch ein noch größerer Schatz sein.
Besonders interessant war das Nachwort, da dort die Reaktion der drei Westalliierten auf die sich abzeichnende Wiedervereinigung beschrieben wurde. Panik vor einem vereinten Deutschland und die Sorge vor einem „Vierten Reich“. Aus heutiger Sicht erscheint es eher lächerlich, aber die Franzosen hatten wahrscheinlich allen Grund zur Sorge, obwohl ich die Möglichkeit eines erneuten Krieges zwischen Deutschland und Frankreich am Anfang der neunziger Jahre rückblickend doch eher als sehr unwahrscheinlich erachte. Aber wie sagt man so schön – hinterher ist man immer schlauer.
Abschließend zitiere ich kurz aus dem Nachwort: „Doch die PDS war überwiegend eine Partei der älteren Leute. Rund 60 Prozent ihrer Wähler waren über 60 Jahre alt. Bei der Jugend der ehemaligen DDR- soweit sie blieb – führten Enttäuschung und die Folgen der jahrzehntelangen geistigen Isolation häufig zu einer Hinwendung nicht zur alten extremen Linken, sondern zur neuen extremen Rechten. Das galt insbesondere für kleinere Provinzzentren...“
Frederik Taylor: Die Mauer: 13. August 1961 bis 9. November 1989. Siedler 2009. 29,95€
oscar Matzerath - 3. Mai, 16:51