Freitag, 4. Dezember 2009

Zu Gast bei Sabine und Helmut

Eine Stunde nach Schulschluss erreichte mich der Anruf einer gelangweilten Kollegen, die sich mit mir zum Weihnachtsgeschenkekauf treffen wollte. Nachdem alle betretbaren Geschäfte in Rheydt durchwandert waren, ging es für ein Feierabendbier in die Kneipe, deren Namen ich nicht mehr weiß. Dunkle Holzwände, dunkle Tische in Nischen und an den Wänden eine Tapete aus Teppichtroddeln. An der Decke ein Ventilator, der keine Runden mehr dreht und hinter dem Tresen eine Leimwand und Sabine. Die Bestellung eines Weizenbieres wurde abschlägig beschieden: „Hamma nich.“ Gut dann bitte ein großes Alt. Sabine: „Hamma nich.“ Ist das hier eine Kneipe oder ein Trockendock. Ein kleines Alt oder ein Alt-Schuss (Alt mit einem Schuss Malzbier) könnte ich bekommen, aber große Altgläser gibt es nicht. Ich könnte auch ein Alt in einem großen Pilsglas bekommen. Die offerierte Todsünde nahm ich dankend an, was mir den restlichen Abend den Spott der Wirtsleute einbrachte. Das Pack kennt halt keine Berliner Trinkkultur. Da wird man jahrelang in einer unvergesslichen Berliner Art mit dem Satz erzogen: „Draußen nur große Mollen, sonst muss ich so viel loofen.“ Und dann kommt man an den Niederrhein. Hier habe ich schon Alt aus Weizengläsern serviert bekommen, weil die Mongolen keine passenden Gefäße bereitstellten.
Um die Tränke versammelt sich unterdessen die eingeborene Trinkgesellschaft. Man kennt sich mit Vornamen und säuft wahrscheinlich schon seit dem Kindergarten miteinander. Der eine erzählt von seinem Vaterschaftstest noch zu D-Markzeiten. Andere philosophieren über den letzten Sieg der Borussia bei den Bayern, im Radio laufen Schlager und wir zu dritt mittendrin. Zufälligerweise haben wir uns gute Fußballplätze gesichert und werden von jedem Neuankömmling misstrauisch beäugt. So kann es gehen. Sabine wird von Helmut abgelöst, der ebenfalls über den Alttouristen lästert und uns zur Zurückhaltung ermahnt, sonst würden wir den Beginn des Spiels nicht mehr mitbekommen. Am Tresen spalten sich die Ansässigen in Fußballbegeisterte, die um 19 Uhr das Schnapstrinken einstellen und Gesellschaftssuchende, die vom Begrüßungsbier zum Gedeck übergehen. Hinter der Theke holt Helmut die Borussia Fahne heraus und genehmigt sich eine Prise Schnupftabak. Der Vaterschaftstest konsterniert, dass er nichts dafür könne wenn seine Alte einen Hammer habe. Und Marcel Reif bezeichnet den Spielball als Pestilenz für jeden Torwart. Dirk kommt rein, oben Platte und hinten ein Minizöpfchen. Zur Halbzeit brechen wir auf, da es gilt eine Isomatte im Internet zu ersteigern. Vorher reserviere ich mir einen Platz in der ersten Reihe für das Spiel der Hertha am Sonntag. Als wir gehen schnäuzt sich Helmut zum wiederholten Male in sein Stofftaschentuch.

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Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

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