Öffentlicher Grenzverkehr
Ein düsterer Samstagnachmittag im Januar, der die zu erwartende Kälte vermissen lässt, schleicht allmählich dem Abend entgegen. Der Computer steht in der kältesten Ecke des Zimmers und ein Aufsatz über die Entwicklung des Schulbuchs im Geschichtsunterricht will gelesen werden. Nebenbei läuft das Radio, welches zwei Tätigkeiten gleichzeitig ausführt. Zum einen hält es den Aufsatzleser vom Lesen ab und zum anderen sendet es einen Bericht über die Nachwuchsförderung im deutschen Eishockey. Ein Stimmengewirr aus Schlachtgesängen untermalt die Reportage und sorgt für eine authentische Hintergrundkulisse. Da dieser gut gemeinte Beitrag jedoch nicht interessiert und zudem auch noch vom Lesen abhält, wird das Radio kurzerhand abgeschaltet. Statt der erhofften konzentrationsfördernden Ruhe bleiben jedoch die Schlachtgesänge. Der Blick aus dem Fenster offenbart eine Horde junger Männer, die laut Ost, Ost, Ost-Berlin rufend der S-Bahn entgegenstreben. Wo ist man da bloß hingezogen – zu welch einem räudigen Pöbel? Das ist wie in manchen Filmen im Fernsehen, wo der Junge Mann mit seiner Mutter telefoniert und im Fernsehen eine wilde Schießerei im Gange ist. Die Mutter bittet ihn den Fernseher leiser zu machen, da man ja so kaum vernünftig telefonieren kann. Fernseher aus, aber die Schießerei bleibt.
Zum Glück steigt diese Bande Nostalgiker gerade in die Bahn und fährt mit ihren Dynamo-Rufen in ihr schönes Ost-Berlin.
Zum Glück steigt diese Bande Nostalgiker gerade in die Bahn und fährt mit ihren Dynamo-Rufen in ihr schönes Ost-Berlin.
oscar Matzerath - 13. Jan, 18:14